Der Windows 7 Selbstmord
Nachdem mein Rechner auf der Arbeit bereits einige Wochen anstatt in den Standby-Modus zu gehen, einen Bluescreen bekommen hat und darauf hin ausgegangen ist, wurde das Problem letzte Woche noch etwas schlimmer. Mit dem neuen Einschalten des Rechners und dem Starten der Programme konnte ich noch relativ gut leben, da die Boot-Zeit dank SSD sowieso vernachlässigbar war, aber mein Rechner entschied sich beim Bluescreen auch gleich noch das halbe Dateisystem mit in den Tod zu reissen. Nach dem Booten hat sich bereits Dropbox beschwert, dass es nicht mehr ordentlich ausgeführt werden kann. Außerdem hat Outlook irgendeine DLL nicht gefunden. Windows empfahl mir typischerweise erst einmal ein chkdsk durchzuführen.
Seltsamerweise „funktionierte“ auch nur noch mein Nutzeraccount auf dem PC. Als ich versucht habe mich mit dem Administrator-Account anzumelden ist der Explorer (für die Taskleiste und das andere Zeug) garnicht mehr gestartet. Der Taskmanager ließ sich zwar noch starten, doch einen neuen Prozess konnte ich dann nicht öffnen.
Lange Rede kurzer Sinn: Um eine Neuinstallation kam ich nicht herum. Da mein Softwareprojekt im Institut in C# entwickelt ist, musste ich wieder ein Windows nutzen. Aber diesmal virtualisiert.
Ich bin ein Freund der Virtualisierung. Es macht vieles einfacher, da im Fehlerfall nicht alle Services ausfallen, sondern nur ein bestimmter Teilbereich. Und virtuelle Maschinen lassen sich sehr einfach auf einen alten Zustand zurücksetzen, da man einfach nur eine alte Version der virtuellen Festplatte laden muss. Kurzum: die ideale Lösung in meinem Fall, da ich einfach nur weiter entwickeln und meine Bachelorarbeit schreiben möchte.
Die Entscheidung war also gefasst, ich werde zukünftig in einer virtuellen Maschine entwickeln. Doch was sollte ich als Unterbau nutzen? Wer mich kennt, weiß, dass ich ein ewiger Verfechter von Open-Source-Software und Betriebssystemen bin. Bereits seit einigen Jahren (mittlerweile fast 9) habe ich einen eigenen Server, zunächst nur einen virtuellen, doch letztes Jahr im Juni gab es den Wechsel zu diesem dedizierten Server auf dem ich gerade diesen Blogeintrag verfasse. Ich habe bereits sehr früh angefangen mich nach alternativen zu Windows umzusehen (vor etwa 11 Jahren) und bin dabei auch jeder größeren Distribution begegnet, über SuSe und Mandrake zu RedHat und Debian mit diversen Ablegern. Da Debian jedoch nicht auf Desktops ausgerichtet ist, sollte es etwas anderes sein. Natürlich würde einem nun Ubuntu in den Sinn kommen, jedoch habe ich eine pathetische Abneigung gegen Unity. Und das bekommt man auch leider nicht so leicht entfernt, wie man es sich wünschen würde.
Nach einigem Googlen entschied ich mich als für LMDE (Linux Mint Debian Edition), einer Distribution die auf Rolling Releases aus den Debian-Testing-Repositories setzt. Rolling Releases klang für mich sehr angenehm, da ich gerne relativ aktuelle Software nutzen möchte und auch nicht alle paar Wochen einen neuen Kernel backen möchte. Alles in allem erschien es perfekt. Also LMDE mit Cinnamon installiert und dazu VirtualBox als HyperVisor. Dort hinein kam ein Windows 7 zur Entwicklung und dann…. Tja was soll ich sagen, irgendwie hat das alles nicht so funktioniert, wie ich es wollte.
Da ich gerne meine Hardware vollständig nutze, also auch Grafikbeschleunigung, wollte ich den Treiber installieren. Intel bietet diesen allerdings nur für Ubuntu und Fedora an. Andere Systeme sollen sich den Treiber aus den Sources backen. Klingt nicht verkehrt, also heruntergeladen und Abhängigkeiten aufgelöst. Tja, da wollten die Pakete haben, die meine Distribution nicht hat. Daraufhin habe ich dann gedacht, LMDE basiert auf Debian, also kann ich doch auch die Repositories hinzufügen. Keine gute Idee, beim apt-get dist-upgrade wollte das System Cinnamon und einige andere „unwichtige“ Pakete deinstallieren. Nun gut, also kein dist-upgrade. Aber die nötigen Pakete heruntergeladen um den Treiber zu compilen, was allerdings trotzdem nicht geklappt hat. Kurzum musste ein anderes System her.
Nun nutzt mein Betreuer auf der Arbeit bereits seit einiger Zeit hauptsächlich Fedora Linux, und auch einige meiner Kommilitonen sind von dem System überzeugt. Nachdem Intel den Treiber direkt für Fedora anbietet und auch sonst alles an Software, was für mich wichtig wäre, unter Fedora vorhanden ist, entschied ich mich also dafür.
Was soll ich sagen. Ich bin begeistert.
Bisher habe ich noch kein Linux erlebt, dass so gut funktionierte. Ich habe die Intel-Treiber sehr einfach installieren können und auch alles andere an Software (in erster Linie die LaTeX Distribution TexLive) funktionieren auf dem System genau so, wie ich es erwarten würde.
Einzig an Gnome3 muss ich mich noch ein wenig gewöhnen, allerdings gibt es Addons, die mir das sehr einfach machen. Als Beispiel sei das DropDown-Terminal zu nennen.
Unter Linux-Nutzern ist es wohl so typisch wie es unter Windows-Nutzern atypisch ist, eine Konsole offen zu haben. Meistens auch mehrere, für ssh, tail, htop, iftop und was auch immer. Genau dort setzt das DropDown Terminal an. Es legt ein Terminal, welches auf dem Hauptbildschirm angezeigt wird, auf eine wählbare Tastenkombination. Damit benötigt es kein eigenes Fenster und stört nicht beim alt-tabben. Trotzdem ist es immer einsatzbereit wenn man es braucht.
Als Hypervisor habe ich letztendlich doch VMWare genommen, da die Software einfach viel ausgereifter ist, als VirtualBox. Zudem gibt es einen Support, an den man sich wenden kann, wenn man ein Problem hat. Da das System produktiv eingesetzt werden soll, war es also die bessere Lösung.
Insgesamt bin ich so zufrieden mit meinem Linux-Desktop wie vorher noch nie.